Home     Europakarte     Weltkarte     Arbeiten     Impressum     Sitemap

 

3.1. Die Bedeutung der Erklärungsfähigkeit

Die Erklärungsfähigkeit von wissensbasierten Systemen betrach­ten viele Forscher als eine der wichtigsten, eventuell sogar als die wichtigste Fähigkeit eines wissensbasierten Systems.61 Vor allem für die Benutzerakzeptanz des Systems wird der Erklärungskomponente eine hohe Bedeutung beigemessen.62

Eine Untersuchung von TEACH und SHORTLIFFE ergab, daß die Erklärungsfähigkeit im Bereich der Medizin sowohl von den Experten als auch von den Nichtexperten als die wichtigste Fähigkeit eines wissensbasierten Systems angesehen wird.63 Bei einer weiteren Untersuchung schätzten 77% der Benutzer und 80% der Wissensingenieure die Erklärungskomponente als wichtig oder sehr wichtig für ihre Arbeit ein.64

Diese Einschätzung ist aber nicht unumstritten. JOHNSON weist darauf hin, daß die Erklärungsfähigkeit während der Entwick­lung des wissensbasierten Systems zwar sehr wertvoll ist, aber ein relativ geringes Interesse an ihr besteht, sobald das System im Routinebetrieb arbeitet.65 Bei einer Untersuchung von ERDMAN konnte sowohl für Spezialisten wie für NichtSpezialisten nicht nachgewiesen werden, daß die Unterstützung durch ein wissensbasiertes System mit Erklärungskomponente zu besseren Ergebnissen führt als ohne diese. Die Erklärungsfähigkeit sorgte nur bei Nichtspezialisten für eine positivere Haltung gegenüber dem System.66

Diese sehr unterschiedlichen Aussagen deuten darauf hin, daß die Forschung in diesem Bereich noch nicht abgeschlossen ist. Weitere Untersuchungen werden notwendig sein, um die Bedeutung der Erklärungsfähigkeit zu klären.

Ein möglicher Grund dafür, daß die Erklärungsfähigkeit von wissensbasierten Systemen ihre besondere Nützlichkeit bisher nicht zeigen konnte, könnte darin liegen, daß die augenblicklich kommerziell eingesetzten wissensbasierten Systeme nur ziemlich rudimentäre und unintelligente Erklärungen erzeugen können.67

Darüber hinaus ist anzunehmen, daß die Bedeutung der Erklä­rungsfähigkeit stark von den Aufgaben des wissensbasierten Systems und von den Benutzern abhängt.68 Bei einem System, das im Beratungs- oder Schulungsbereich eingesetzt wird, hat die Erklärungsfähigkeit eine viel höhere Bedeutung als bei einem System, das in gewissen Grenzen Entscheidungsgewalt und Anweisungsvollmacht gegenüber dem Benutzer besitzt.

Bisher ist eine formale Verifikation bei wissensbasierten Sys­temen nicht möglich. Aus diesen Grund ist es für den Anwender von besonderer Bedeutung, daß er die Aktionen und Reaktionen des Systems nachvollziehen und überprüfen kann.69 Auch bei einem korrekt funktionierenden wissensbasierten System kann es zu falschen Ergebnissen kommen, wenn es außerhalb seines Aufgabenbereichs arbeitet und dadurch seine Leistungsfähigkeit sehr stark abnimmt.70 Dieses starke Abfallen der Leistungs­fähigkeit an den Randbereichen wird auch als Kliff- und Plateau-Effekt bezeichnet.71 Der Erklärungsfähigkeit kommt besonders dann eine hohe Bedeutung zu, wenn aufgrund der Empfehlungen des wissensbasierten Systems folgenschwere Entscheidungen getroffen werden,72 da letztendlich die Ver­antwortung bei dem Ausführenden bleibt.73 Ein Manager oder Arzt wird den Vorschlag eines wissensbasierten Systems, unabhängig davon wie gut das System arbeitet, nur dann akzeptieren, wenn es seine Lösung erklären und rechtfertigen kann.74

 


61        Vgl. WICK, M.R.; SLAGLE, J.R.: An Explanation Facility for Today's Expert Systems, in: IEEE EXPERT, Vol. 4, No. 1, 1989, S. 26 (26-36).
Vgl. auch MORRIS, A.: Expert Systems - Interface Insight, a.a.O., S. 317.
Vgl. auch WALLIS, J.W.; SHORTLIFFE, E.H.: Explanatory Power for Medical Expert Systems, a.a.O., S. 127.

62       Vgl. AIKINS, J.S.: Prototypical Knowledge for Expert Systems, in: ARTIFICIAL INTELLIGENCE, AN INTERNATIONAL JOURNAL, Vol. 20, 1983, S. 199 (163-210).
Vgl. auch SHORTLIFFE, E.H.: Computer-Based Medical Consultations: MYCIN, Artificial Intelligence Series: 2, New York/Oxford/Amsterdam 1976, S. 67.

63       Vgl. TEACH, R.L.; SHORTLIFFE, E.H.: An Analysis of Physician Attitudes Regarding Computer-Based Clinical Consultation Systems, in: COMPUTERS AND BIOMEDICAL RESEARCH, Vol. 14, 1981, S. 550f (542-558).

64       Vgl. KLEE, H.W.: Zur Akzeptanz von Expertensystemen: Eine empirische Analyse der Relevanz und Angemessenheit der Erklärungskomponente, Reihe: Planung, Information und Unternehmensführung, Band 27, Bergisch Gladbach/Köln 1989, S. 136.

65       Vgl. JOHNSON, T.: The Commercial Application of Expert Systems Technology, London 1984, S. 30.
Ähnliche Berichte aus den USA erwähnt auch BERRY, D.C.; BROADBENT, D.E.: Expert Systems and the Man-Machine Interface, a.a.O., S. 22.

66       Vgl. ERDMAN, H.P.: The Impact of an Explanation Capability for a Computer Consultation System, in: METHODES OF INFORMATION IN MEDICINE, Vol. 24, No. 1, 1985, S. 187ff (181-191).

67       Vgl. MORRIS, A.: Expert Systems - Interface Insight, a.a.O., S. 319.

68       Vgl. ELLIS, C: Explanation in Intelligent Systems, in: ELLIS, C. (ED.): Expert Knowledge and Explanation: The Knowledge-Language Interface, Ellis Horwood Books in Information Technology, Chichester 1989, S. 109 (108-126).

69        Vgl. HUBER, K.-P.: Erklärungskomponente für das Expertensystem XUMA unter Berücksichtigung verschiedener Benutzerklassen, a.a.O., S. 14.

70        Vgl. SHEIL, B.: Thinking about artificial intelligence, in: HARVARD BUSINESS REVIEW, Vol. 65, Number 4, July-August, 1987, 3. 94 (91-97).
Vgl. auch LEHMANN, E.: Wissensbasierte Systeme - eine neue Entwicklungstechnologie für Anwendungssoftware? in: BUNKE, H., MEY, H. (EDS.) : Künstliche Intelligenz und Experten-systeme, Reihe Beiträge zur Mathematik, Informatik und Nachrichtentechnik, Band 8, Bern 1987, S. 205 (195-210).

71        Vgl. PUPPE, F.: Einführung in Expertensysteme, a.a.O., S. 155.

72        Vgl. APPELRATH, H.-J.: Von Datenbanken zu Expertensystemen, a.a.O., S. 78.

73        Vgl. SHEIL, B.: Thinking about Artificial Intelligence, a.a.O., S. 95.
Vgl. auch DAALEN, C. VON; JASPERS, R.B.M.: Explanation Improvement to Enhance Acceptance of the PLEXUS System, in: HUNTER, J.; COOKSON, J.; WYATT, J. (EDS.): AIME 89, Proceedings of the Second European Conference on Artificial Intelligence in Medicine, London, August 29.-31., 1989, Berlin/Heidelberg/New York/London/Paris/Tokyo/Hong Kong 1989, S. 290 (286-295).

74        Vgl. WAHLSTER, W.: Erklärungskomponenten als Dialogwerkzeuge, in: OFFICE MANAGEMENT: Sonderheft, 1983, S. 46 (45-48).