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Die Erklärungsfähigkeit wissensbasierter Systeme
und die daraus resultierenden Anforderungen
an das abzubildende Wissen

 

1. Einleitung

Wissensbasierte Systeme haben als erster Bereich der Künst­lichen Intelligenz den Sprung aus den Forschungsinstituten in den praktischen Einsatz geschafft.1 Die Zahl der entwickelten Systeme ist sehr hoch. Um so überraschender ist, daß nur wenige wissensbasierte Systeme in der Praxis eingesetzt werden.

Einsatz von wissensbasierten Systemen im deutschsprachigen Raum

Abb. 1: Einsatz von wissensbasierten Systemen im deutschsprachigen Raum 2

Eine Reihe von Forschern hält die mangelnde Ausgestaltung der Benutzerschnittstelle, zu der die Erklärungskomponente zählt, für einen wichtigen Grund dafür, daß nur wenige der erfolgreich entwickelten wissensbasierten Systeme den Schritt    in die tägliche Anwendung schaffen.3 Obwohl bereits ein großer Anteil der Systementwicklungszeit für ihre Entwicklung ver­wendet wird, ist nach allgemeiner Ansicht noch immer die Aus­stattung der Benutzerschnittstelle unbefriedigend.4

Die Benutzerschnittstelle besteht aus drei Elementen. Diese sind die Dialogkomponente, die Erklärungskomponente und die Wissenserwerbskomponente. Die Dialogkomponente eines wissensbasierten Systems unterscheidet sich nicht wesentlich von den bereits aus klassischen Systemen bekannten und bedarf hier keiner besonderen Erläuterung. Die Wissenserwerbskomponente ist aus Sicht der Anwender von geringer Bedeutung. Das dritte Element ist die Erklärungskomponente. Sie ermöglicht dem System, seine Schlußfolgerungen zu erklären und zu begründen. Diese Erklä­rungsfähigkeit wird von vielen Forschern als eine der wichtig­sten Fähigkeiten von wissensbasierten Systemen betrachtet.5

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Überblick über die Erklärungsfähigkeit von wissensbasierten Systemen zu geben. Im Rahmen dieser Darstellung soll besonders auf die Anforderungen an das Wissen für die Erklärungsfähigkeit eingegangen werden. Die Bedeutung von in wissensbasierten Systemen abgebildetem Wissen ist für Erklärungen besonders hoch, da es die Grundlage jeder Erklärung    darstellt.6 Es ist sowohl für ein wissensbasiertes System als auch für einen Menschen unmöglich, Erklärungen ohne Wissen zu geben.

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier wesentliche Teil­bereiche. Im Kapitel 2 erfolgt eine Darstellung der Grundlagen des Arbeitsbereichs. Zuerst werden die Begriffe 'wissensbasierte Systeme', 'Erklärung' und 'Wissen' definiert und abgegrenzt. Diese Begriffe bilden die Basis für die Erörterungen in den folgenden Kapiteln. Danach wird die Erklärungskomponente und ihre Einordnung in die wissensbasierten Systeme beschrieben.

Das 3. Kapitel beschäftigt sich mit der Erklärungsfähigkeit von wissensbasierten Systemen. Nach einer Diskussion der Bedeutung der Erklärungsfähigkeit wird ein Überblick gegeben, welche Anforderungen an diese gestellt werden. Bei der Behandlung der Anforderungen wird zwischen den Systementwicklern [Knowledge Engineer] und den Anwendern unterschieden, da hier größere Unterschiede bestehen. Die Anwender werden danach noch weiter unterteilt, da sie eine sehr heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Anforderungen an die Erklärungskomponente dar­stellen. Es folgt eine Darstellung des augenblicklichen Standes der Erklärungsfähigkeit in eingesetzten Systemen. Zum Abschluß wird die augenblickliche Erklärungsfähigkeit kritisch betrach­tet und auf ihre Grenzen hingewiesen.

Das 4. Kapitel beschäftigt sich mit den Anforderungen an das Wissen, die durch den Wunsch nach einer besseren Erklärungs­fähigkeit entstehen. Dieses Kapitel behandelt die drei Schritte bei der Erstellung von Erklärungen. Zu Beginn wird geklärt, welches Wissen in welcher Form zur Verfügung stehen muß, um Fragen beantworten zu können. Darauf wird untersucht, welches Wissen nötig ist, um aus den spezifizierten Informationen diejenigen auszuwählen, welche für den Benutzer interessant und geeignet sind. Nachdem dies geklärt worden ist, wird weiterhin Wissen benötigt, um diese Informationen dem Benutzer in einer verständlichen Form zu präsentieren.

Das 5. Kapitel dieser Arbeit stellt die Realisierung der Erklärungskomponente an einem praktischen Beispiel vor. Zu diesem Zweck wurden das System XPLAIN und seine Weiterentwicklung zum Explainable Expert System ausgewählt, da es zu den Systemen mit einer der am höchsten entwickelten Erklä­rungsfähigkeit gehört.

Abschließend wird im 6. Kapitel eine Schlußbetrachtung der Arbeit gegeben. Dabei wird als ein Ergebnis eine Erweiterung der in Kapitel 2 gebrachten Darstellung eines wissensbasierten Systems vorgeschlagen.


1         Vgl. MERTENS, P.; BIEBINGER, H.: Entwicklungsphasen wissensbasierter Systeme, in: KI - KÜNSTLICHE INTEL­LIGENZ: FORSCHUNG", ENTWICKLUNG, ERFAHRUNGEN, Heft 3, 1989, 3. 64 (64-67).

2          MERTENS, P.; BORKOWSKI, V.; GEIS, W.: Betriebliche Expertensystem-Anwendungen, 2., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Reihe Betriebs- und Wirtschafts­informatik, Berlin/Heidelberg/New York/London/Paris/Tokyo/ Hong Kong 1990, S. 25.

3         Vgl. BERRY, D.C.; BROADBENT, D.E.: Expert Systems and the
Man-Machine Interface. Part Two: The User Interface, in:
EXPERT SYSTEMS, Vol. 4, No. 1, 1987, S. 18 (18-27).
Vgl. auch MORRIS, A.: Expert Systems - Interface Insight, in: DIAPER, D.; WINDER, R. (EDS.): People and Computers III, Proceeding of the Third Conference of the British Computer Society Human Computer Interaction Specialist Group, University of Exeter, 7.-11. Sept. 1987, The British Computer Society Workshop Series, Camebridge/London/New York/New Rochelle/Melbourne/Sydney 1987, S. 307 (307-324).

4        Vgl. BERRY, D.C.; BROADBENT, D.E.: Expert Systems and the
Man-Machine Interface, a.a.O., S. 19.
Vgl. auch THUY, N.H.C.; SCHNUPP, P.: Wissensverarbeitung und Expertensysteme, Reihe: Handbuch der Informatik, Band 6.1., München/Wien 1989, S. 55.

5        Vgl. WALLIS, J.W.; SHORTLIFFE, E.H.: Explanatory Power for Medical Expert Systems: Studies in the Representation of Causal Relationships for Clinical Consultations, in: METHODS OF INFORMATION IN MEDICINE, Vol. 21, No. 1, 1982, S. 127.

6        Vgl.  HUBER,   K.-P.:  Erklärungskomponente für das Expertensystem XUMA unter Berücksichtigung verschiedener Benutzer­klassen, Karlsruhe 1988, S. 31.